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»Vorabfinanzierung von Open Access E-Books über eine Subskriptionsgemeinschaft von Bibliotheken«

Vorabfinanzierung von Open Access E-Books über eine Subskriptionsgemeinschaft von Bibliotheken   

 

 

   Dr. Christoph Schindler
   Leitung Literaturinfomationssyteme DIPF


 

Sie haben mit dem Fachinformationsdienst Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung (FID) ein neues Finanzierungsmodell von E-Books im Open Access aus der und für die Erziehungswissenschaft entwickelt.
Was steht im Kern des Modells?

Im Kern steht die recht einfache Idee, die Vorabfinanzierung von Open Access E-Books über eine flexible Subskriptionsgemeinschaft von Bibliotheken auf mehreren Schultern zu verteilen, was auch als Crowdfunding bezeichnet wird.

Dadurch, dass das wesentliche Merkmal von OA-Publikationen deren freie Nutzung ist, kann die Finanzierung nicht mehr über die Rezipient*innen und ihre Einrichtungen geschehen, sondern muss meist vorab als Publikationsgebühr durch Autor*innen selbst geleistet werden. Dadurch reguliert die Bezahlschranke nicht mehr die Lesenden in der Rezeption von Wissen, sondern beschränkt die Schreibenden in ihrer Möglichkeit, über Verlage zu veröffentlichen.

Hier setzt nun die Subskriptionsgemeinschaft an, da diese wissenschaftliche Bibliotheken mit ihren Fachreferent*innen wieder in die Finanzierung der Publikationen miteinbezieht. In den kommenden zwei Jahren schnüren wir nun zwei Pakete mit jeweils 20 Open Access E-Books und unterstützen die Veröffentlichung mit Mitteln aus dem DFG-geförderten Fachinformationsdienst. In der ersten Runde werden dabei 50% der Gesamtsumme durch den FID eingebracht und in der zweiten Runde 25%. Mit je 5.000,- Euro brutto wird so die Transformation von Open Access E-Books finanziert. Damit werden nicht sämtliche Bücher kostendeckend finanziert werden können, aber vielleicht eine Auswahl.

Für die erste Runde ist das Verfahren gestartet und noch bis zum 15. Februar 2022 können Verlage Buchprojekte einreichen. Gerne können auch Autor*innen Verlage auf diese OA-Finanzierung für ihre Publikationen hinweisen. Nähere Informationen finden sie auf unserer Webseite unter: https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/produkte/fachinformationsdienst/fachinformationsdienst.html

Nach Ablauf der Einreichungsfrist wählt eine Fachjury 20 Titel aus. Für den Sommer 2022 ist dann das Verfahren zur Zusicherung der Finanzierung durch die Bibliotheken, das sogenannte Pledging, vorgesehen. Wenn dabei eine Mindestanzahl von teilnehmenden Bibliotheken erreicht wird, wird das Budget an die Verlage ausgeschüttet.

Von unserem FID-Verbund sind neben dem Informationszentrum Bildung des DIPF  die Universitätsbibliotheken der FAU Erlangen-Nürnberg und der Humboldt-Universität zentral an der Entwicklung des Verfahrens beteiligt. Darüber hinaus kooperieren wir eng mit dem Kompetenzzentrum für Lizenzierung (KfL) und dem Fachrepositorium peDOCS, in dem die ausgewählten Publikationen auch veröffentlicht und langzeitarchiviert werden.


Wo sehen Sie den Vorteil gegenüber anderen etablierten Modellen?

An sich sind Subskriptionsverfahren nichts Neues. Vorreiterprojekte im Bereich Open Access Crowdfunding haben sehr gute Grundlagen geschaffen und auch Dienstleistungsfirmen bieten ausgereifte Services an. Was wir hier erstmalig versuchen, ist, die Interessenslagen im Publikationsgefüge weitaus stärker miteinzubeziehen und fachlich miteinander abzustimmen. So treten wir an die Bibliotheken mit E-Book-Paketen heran, die verlagsübergreifend, titeltransparent und fachlich fundiert sind.

Da wir am IZB seit 2008 peDOCS betreiben, war uns von Anfang an klar, dass wir nicht mit einem einzigen Verlag allein ein Crowdfunding-Projekt durchführen können. Von Beginn an pflegt peDOCS ein kooperatives Verhältnis zu aktuell rund 45 Verlagspartnern, um gemeinsam Open Access in der Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung zu realisieren. Dementsprechend ist das Subskriptionsverfahren unseres FIDs nicht auf einen Verlag beschränkt, sondern für sämtliche Verlage offen, die gemeinsam mit uns fachlich relevante E-Books im Open Access publizieren möchten.

Um den Fachreferent*innen wie bisher im Bibliotheksalltag üblich auch im neuartigen Subskriptionsverfahren eine Relevanzeinschätzung zu ermöglichen, werden die Titel des Pakets explizit benannt. Damit beabsichtigen wir jenseits des Engagements für OA sämtliche Fachreferent*innen anzusprechen, die für die Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung zuständig sind und sie in die Lage zu versetzen, aus inhaltlichen Gründen bei der Finanzierung der E-Book-Pakete mitzuwirken.

Tatsächlich erwarten wir einen Maximalpreis von 100,- Euro pro Buch, was meist preislich nicht weit von Campus-Lizenzen entfernt liegt und die Entscheidung erleichtert. Voraussetzung dafür ist, dass sich eine entsprechende Anzahl an Bibliotheken an diesem flexiblen Gemeinschaftsverfahren beteiligt. Zu erwähnen ist dabei, dass mit diesem Verfahren auch neue Herausforderungen bei der Abstimmung zwischen Verlagen und Autor*innen entstehen. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass eine Win-Win-Situation für sämtliche Beteiligte entstehen wird.

Aus fachlicher Sicht ist bei der Zusammenstellung der Pakete die Einbindung der Fachgemeinschaften entscheidend. Daher wird eine Fachjury eingesetzt, die eine fundierte Auswahl aus den Einreichungen treffen wird. 20 Titel werden kriterienbasiert ausgewählt. Wir sind unserem FID-Beirat für seine fachkundige Auswahl der Fachjurymitglieder dankbar, der aus Vertreter*innen der zentralen Fachgesellschaften DGfE, GEBF, GFD und GfHf besteht.


Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?

Das zentrale Ziel ist, die OA-Transformation für die Erziehungswissenschaft in ihrem spezifischen Publikationsgefüge engagiert-kritisch mitzugestalten. In diesem Teilprojekt des FID möchten wir die gerade wohl größte Herausforderung von Open Access, die Finanzierungslücke, angehen und ausloten, was sich als tragfähiges Finanzierungsmodell für die Zukunft erweisen könnte.

Die Vorabfinanzierung von Open Access E-Books über eine flexible Subskriptionsgemeinschaft von Bibliotheken sehen wir als eine zukunftsträchtige Lösung zur Finanzierungsproblematik, die zudem fachlich ausgerichtet und für weitere Publikationsformen angewendet werden kann.

Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Subskriptionsgemeinschaft zur Finanzierung von Open Access Publikationen und wie diese auch strukturell adhoc gebildet werden kann. Wir sind gespannt, wie dies bei uns fruchten wird und hoffen auf rege Beteiligung der unterschiedlichen Akteur*innen.

Wo würden Sie Ihr Projekt in fünf Jahren gerne sehen?

Es wäre ein toller Erfolg, wenn sich bis in fünf Jahren die Vorabfinanzierung von Open Access E-Books über eine Subskriptionsgemeinschaft von Bibliotheken etabliert hätte und sich die Prozesse anschließend vereinfachen und stabilisieren würden.

So wäre es zum Beispiel schön, wenn Verlage zu regelmäßigen Zeitpunkten eines Jahres Publikationen einreichen, Fachjuror*innen diese prüfen und auswählen und auch die Autor*innen durch diese Form an fachlicher „Shortlist“ sichtbarer in ihren Fachgemeinschaften werden und Reputation erfahren würden.

Für Hochschulbibliotheken ist es bis dahin vielleicht alltäglich geworden, dass Fachreferent*innen nicht mehr beschränkte Campus-Lizenzen teuer bezahlen, sondern stattdessen direkt die OA-Publikation auf ähnlichem Preisniveau gemeinschaftlich teilfinanzieren. Und vielleicht wäre es bis dahin auch möglich, den Prozess zu flexibilisieren und exemplarisch auf Zeitschriften zu übertragen.


Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hemmnisse für die Open-Access-Transformation in der Erziehungswissenschaft und wie können sie überwunden werden?

Ich habe schon den Eindruck, dass die ungelöste Frage der langfristigen OA-Finanzierung das größte Hindernis darstellt. Vielleicht ist es auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften nochmal ein wenig gravierender, da Publikationsgebühren nicht so verbreitet und in dieser Größenordnung neu sind.

So hat dies auch ein nationaler Repräsentant einer erziehungswissenschaftlichen Fachgesellschaft bei einem World Café im Rahmen der europäischen EERA dargestellt: Bis vor kurzem hatte er für einige Publikationen Geld bekommen und konnte so seine Mitarbeiter*innen zum Essen einladen. Jetzt muss er für die Publikation viel Geld bezahlen. Schwerwiegender ist dies sogar noch für neue Wissenschaftler*innen, weshalb sie auch besonders über unsere Finanzierungsform angesprochen werden sollen.

Insgesamt ist zudem noch nicht abschließend geklärt, wie die Qualität und nicht das Geld über die Publikation entscheiden kann. Unserer Ansicht nach kann dies nur unter Einbezug der Fachgemeinschaften geschehen, wozu wir mit diesem Ansatz beitragen wollen.


Weitere Informationen:

Dr. Christoph Schindler
Leitung Literaturinformationssysteme
DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
eMail: 
schindler@dipf.de